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"Das Niedrigste wird aus den Leuten herausgeholt, nicht das Anständige" (Gertrude Pressburger)

In einem meiner Blogs habe ich schon auf dieses Buch hingewiesen, als ich gerade mal ein paar wenige Seiten gelesen hatte. Nun habe ich Frau Gertrude's Erinnerungen an eine Zeit, an die sie eigentlich niemals mehr erinnert werden wollte, nicht mehr weglegen können.



Gerade jetzt in Zeiten verstärkten europäischen Rechtsrucks, in einer Regierung aus türkis/blau in Österreich, zum Jahrestag des #Anschlusses an #Nazideutschland 1938 sind viele meist auch jüngere Menschen angewidert von den zahllosen Hinweisen und Warnungen vor Tendenzen in eine Richtung, die den Boden für solche Ereignisse wieder frisch aufbereiten könnte. Oft hörst Du, man möge doch nicht ständig diese "Erbschuld" einer Generation nachschieben, die damals noch nicht mal auf der Welt war.


Richtig, das soll auch nicht sein! Auch ich war damals nicht auf dieser Welt, aber ich hatte das Glück, einen ambitionierten Geschichtslehrer im Gymnasium zu haben, der uns gerade diese Phase unserer Geschichte drastisch und intensiv neuer gebracht hatte.


Und genau dafür, dass es niemals mehr soweit kommen kann, sind solche Bücher dar, aufgezeichnete Erlebnisse der letzten ZeitzeugInnen, Frau Gertrudes Erlebnisse haben unschätzbaren Wert. Können sie doch von uns weitergegeben werden an die nächste Generation. Meine Einladung ist es daher, genau das zu tun, fordert Eure Kinder und Enkelkinder auf, sich ein paar Stunden Zeit dafür zu nehmen. Es lohnt sich, denn es ist nicht Fiktion, die #GertrudePressburger da #MarleneGroihofer, einer jungen Journalistin erzählt hat, es ist unfassbare Wahrheit aus Wien's, aus Österreich's Geschichte.





Wenn sie von Ihrer Flucht mit Ihren Eltern und zwei Brüdern aus Wien erzählt, nach Jugoslawien, später dann über Triest, Mailand und Padua an den Gardasee - noch unbehelligt von Mussolini's Diktatur. Ehe diese auch das kleine italienische Dorf erreicht und Gertrude und ihre Familie plötzlich auf einen Wehrmachts-LKW verfrachtet werden und schließlich 1944 in #AuschwitzBirkenau in ein Konzentrationslager transportiert werden. Von ihrer Familie getrennt, übersteht Gertrude unglaubliche Situationen im Lager und glaubt noch lange daran, ihre Familie wiederzusehen. Ein furchtbarer Moment, als sie beschreibt, wie ihr eine Leidensgenossin vor Augen führt, dass Mutter und Brüder vergast und verbrannt wurden. Ab diesem Moment ist beim Lesen spürbar, dass Gertrude keine Emotion mehr zuläßt, weil sie sonst ihr Schicksal niemals hätte meistern können. Erst viel später wird ihr auch klar, dass auch der Vater die Kriegsjahre nicht überlebt hatte. Ihr Überlebenskampf nach der Befreiung und der Zeit der Regeneration in Schweden, wo sie auch auf #BrunoKreisky trifft und mit seiner Unterstützung wieder nach Österreich zurückkehrt, gelingt nur deshalb, weil sie Erinnerungen nicht zuläßt. Auch in Österreich sind in der Nachkriegszeit noch die Nachwirkungen des Nationalsozialismus spürbar, Frau Gertrude beschreibt das immer wieder mit konkreten Beispielen.


Bild: Gertrude mit ihrem Vater und ihren Brüdern in Ljubljana 1940


Spätes Glück mit ihrem Mann Erich und ihrer Tochter Christina bleibt immer begleitet von den furchtbaren Erlebnissen und der Tatsache, dass sie ihre Familie so früh und unvermutet verloren hatte.


Zitat Gertrude Pressburger:


Zu meinem 88. Geburtstag habe ich mir einen Scherz erlaubt. Meine Tochter und ich suchen im Internet nach Motiven für meine Geburtstagseinladungen, als ich plötzlich auf die Zahl 88, umrahmt von einem Lorbeerkranz, stoße. "Das Nazisymbol", rufe ich, "was hältst Du davon, wenn ich es für meine E-Mail-Einladungen verwende?" Christine ist einverstanden. "Ich lebe noch", schreibe ich unter die vorm Lorbeerkranz geschmückte Zahl. "88" bedeutet "Heil Hitler", wenn man das Alphabet von vorne bis zum Buchstaben "H" zählt. Für "SS" steht die Zahl, wenn man das Alphabet von hinten hernimmt. Als ich auf "Senden" klicke, verspüre ich, wie damals am Obersalzberg (den ich mit meinem Mann mal besucht hatte), ein kleines Triumphgefühl. Ich setze Hitler gedanklich in CC: "Ich lebe noch!"


Ich kann Euch allen dieses Buch nur nahelegen, es ist eine Warnung davor, die Verrohung der Sprache weiter zuzulassen, die heute - begleitet und unterstützt - durch die für jeden und alles gegebene mediale Vielfalt sehr einfach und schnell um sich greifen kann.


Im Epilog sagt Frau Gertrude:


"Endlich einmal einen jungen Präsidenten zu haben, das fände ich gut" - sagt ein Jugendlicher im Herbst 2016 vor mir auf dem TV Bildschirm - "Darum stimme ich für Norbert Hofer" - Ich schüttle innerlich den Kopf. Die Jugend eines Politikers ist doch kein Argument, ihn zu wählen. Kurz darauf begegne ich meinem Nachbarn im Stiegenhaus. Er hat ausländische Wurzeln, woher er stammt, weiß ich nicht. "ich bin für Hofer", erklärt er mit, "denn auf seinen Plakaten steht AUFSTEHEN FÜR ÖSTERREICH. ich gebe ihm meine Stimme, weil ich Gutes für Österreich will.

Wenige Wochen zuvor hatte HC Strache verkündet, dass "ein Bürgerkrieg in Österreich mittelfristig nicht unwahrscheinlich sei" Bürgerkrieg! Ich weiß noch, wie ich plötzlich kerzengerade in meinem Sessel saß. Es lief mir kalt über den Rücken hinunter. Ich dachte an die ersten Toten meines Lebens, zwei junge Soldaten, die ich 1934 auf den Wiener Straßen liegen sah. So etwas nimmt ein österreichischer Politiker im Jahr 2016 leichtfertig in den Mund? Das darf doch nicht einmal gedacht werden"


https://youtu.be/uWzzbmvSpCQ


Dieses Erlebnis war Anlass dafür, doch zu sprechen, laut zu werden und letztendlich auch für dieses absolut empfehlenswerte Buch.


Lest es als einen kleinen Beitrag dafür, wieder mehr auf unsere Sprache und den Umgang mit rassistischen Tendenzen zu achten, es ist der erste Schritt, die Zukunft unverändert gut zu gestalten. Denn sie ist gut, auch wenn man uns immer wieder Anderes einreden möchte.

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